Der Handel mit Seide zählte in Alt-Tirol vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu den gewinnbringendsten Branchen. Im Manufakturzeitalter war die Seidenraupenzucht der einzige Wirtschaftszweig in Südtirol, in dem in großem gewerblichem Stil produziert wurde.
Diese filigran geschnitzte Schatulle diente in Pfatten der Aufbewahrung von Seidenraupeneiern über den Winter. Man musste die Eier kühlhalten, um das Ausschlüpfen zu verhindern. Die Zucht konnte erst Ende April beginnen, sobald die Blätter an den Maulbeerbäume sprossen. In die Schatulle sind Maulbeeräste, eine Seidenraupe, ein Maulbeerbaum, die Initialen L.M. und die Jahreszahl 1897 geschnitzt.
Die Schatulle gehörte der Familie Miorandi aus Rovereto, die gemeinsam mit anderen Familien aus dem Lagarina-Tal um 1809 den Pfattenhof in Pfatten kaufte. Den Hof hatte die k. und k. Monarchie den Grafen von Firmian als Lehngut überlassen. Zu ihm gehörten weit über 100 Hektar Weidefläche. Da es sich um ein Lehen handelte, hätte der Grund nicht verkauft werden dürfen. Weil sich aber über einen sehr langen Zeitraum niemand um diese Flächen gekümmert hatte, sahen die Pächter die Grundstücke als ihren Besitz an, und der Verkauf blieb lange unbemerkt. Erst 1848 mussten die neuen Eigentümer eine kleine Entschädigung an die Habsburger zahlen.
Auf der einen Seite konnten die Pächter, die die Grundstücke jahrzehntelang, teilweise jahrhundertelang gepflegt hatten, beim Verkauf einen Gewinn für ihre Mühen abschöpfen, auf der anderen Seite wurden die Käufer doppelt zur Kasse gebeten: erst beim Erwerb des Grundstück, dann nach Bekanntwerden des unrechtmäßigen Verkaufs.
Die neuen Eigentümer, unter denen sich neben den Miorandis auch bekannte Familien aus der Seidenverarbeitungsbranche wie die Familien Viesi, Tacchi oder Rosmini befanden, bepflanzten fast die gesamte Fläche mit Maulbeerbäumen. Im Trentino waren bereits alle geeigneten Flächen für die Seidenraupenzucht genutzt, so dass die Seidenraupenzüchter ihr Anbaugebiet nach Südtirol ausdehnten.
Dass die Seidenraupenzucht nach Südtirol gelangte, kam der lokalen Bevölkerung zugute. Falls jemand Platz hatte, einen oder mehrere Maulbeerbäume zu Pflanzen, konnte das Laub an Zuchtbetriebe verkauft werden. Falls man auch noch Platz für die Aufzucht hatte, konnte man sogar Seidenraupen züchten. Maulbeerlaub, Kokons und fertige Seidensträhne konnten gewinnbringend verkauft werden. So konnten auch kleine Höfe ein gutes Einkommen erzielen, größere Höfe verdienten sogar sehr gut dabei. Auch boten die zahlreichen ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Verarbeitungsbetriebe, insbesondere die Seidenhaspelmanufakturen, vielen Frauen meist gut bezahlte Arbeit. Die Arbeitsbedingungen waren allerdings ungünstig: Die Gesundheit der Arbeiterinnen wurde in den dunstigen Hallen in Mitleidenschaft gezogen. Auch mussten im Seidengewerbe viele Kinder arbeiten.
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