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Automat bricht Tabu – Pharmaziemuseum

In den 1980er-Jahren erreichten die HIV-Infektionen und die Erkrankungen an der Immunschwäche AIDS in vielen Ländern alarmierende Spitzenwerte. Humorvolle Aufklärungskampagnen wie die deutsche Aktion „Tina, was kosten die Kondome?“ sollten Informationsmangel und Hemmungen entgegentreten und die Verwendung von Präservativen als Schutz vor einer Ansteckung beim Sex propagieren.

Im konservativ geprägten Brixen versuchte die Stadtapotheke mit vergleichsweise bescheidenen Maßnahmen den Erwerb der  Schutz- und Verhütungsmittel zu erleichtern. Ein Kondomautomat an der Außenfassade des Apothekenhauses sollte für alle zu jeder Tages- und Nachtzeit zugänglich sein, den Menschen peinliche Situationen ersparen und vor allem helfen, das Infektionsrisiko zu mindern.

Doch kam die von medizinischer Seite unterstützte Maßnahme nicht überall gut an. Kirchliche Kreise forderten dazu auf, vom „reklamhaften Angebot Abstand zu nehmen“. Sie blickten mit Sorge in die Zukunft: „Es ist wohl klar, dass dadurch besonders die Jugend auf Bahnen gelenkt wird, die sich für die Zukunft unseres Volkes negativ auswirken müssen.“

Die vehementen Protestbriefe eines damals in Südtirol sehr aktiven, fundamentalistisch geprägten Eiferers hielten sogar bis 1992 an. Offensichtlich“, schrieb er, „ verdienen Sie noch zu wenig an der Förderung der Todsünde der Unzucht, weil sich die Leute vielleicht in der Apotheke nicht so leicht getrauen, nach dem schändlichen Produkt zu fragen“.

Und weil es genau darum ging, dass sich jeder ohne Scham und Scheu getrauen sollte, blieb der Kondomautomat an der Hausfassade. Von der Bevölkerung wurde er vor allem zu später Stunde gerne angenommen. Die Grundsatz-Diskussion zwischen den Befürwortern der schützenden Prophylaxe und den Warnern vor einer Verführung der Jugend ebbte langsam ab. Im Lauf der Zeit setzte sich eine tolerante Sichtweise durch, und im Fasching 1999 wurde dem Kondom-Automaten beim Brixner Stadtlerlachen ein Refrain in einem beliebten Sketch gewidmet:

„In der Adlerbrucken-Gassen
hat der Peer an Apparat aufstell’n lassen,
der isch so grau, steht net viel drau‘.
Ja für was isch denn der genau?“

Bis heute gelten ungeschützte Sexualkontakte als häufigster Übertragungsweg für die Infektion mit dem HI-Virus und Kondome als das sicherste Mittel, um sich davor zu schützen. Im Jahr 2023 gab es in Südtirol 18 HIV-Neuinfektionen. Trotz dieser stabilen, relativ niedrigen Zahlen und trotz besserer Behandlungsmöglichkeiten dürfen Vorsicht und Aufklärung nicht nachlassen.

Pharmaziemuseum, Brixen
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