Hölzerne Schnitzfiguren aus hausindustrieller Produktion wie die umseitig abgebildeten führten die Grödner Händler im 19. Jahrhundert ständig im Sortiment. Sie machten damit ein gutes Geschäft. Das besondere Interesse an dem Motiv mag darauf zurückzuführen sein, dass die vielen Landstreicher und Bettler damals eine Landplage waren; einerseits fürchtete man sich davor und erfand allerlei böse Geschichten über sie, andererseits weckten die sonderbaren Gestalten die Neugierde der Wohlhabenden.
Arme Leute gab es stets in der Geschichte, so wie es sie heute gibt. Sie lebten am Rande der Gesellschaft, waren in der Regel obdachlos und zogen von Ort zu Ort, weshalb sie „fahrendes Volk“ genannt wurden. Meist hinderte sie eine körperliche oder geistige Einschränkung daran, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Sie ernährten sich von Gelegenheitsarbeiten und im Notfall von Almosen. Von den Sesshaften gemieden, blieben diese Außenseiter aber ständig unter Beobachtung der Mitmenschen und besonders der politischen Obrigkeit.
Da sich unter das „fahrende Volk“ auch Kriminelle, Diebe, Mörder und auch ehemalige Soldaten mischten, kamen alle Landstreicher in Verruf. Sie wurden zwar geduldet, standen aber unter dem Verdacht, Böses im Sinn zu haben und Schaden anzurichten.
Die Religionsgemeinschaften bemühten sich, den armen Leuten zu helfen. Zusammen mit den Städten und Marktgemeinden errichteten sie im Hochmittelalter zahlreiche Spitäler, in denen auch Arme versorgt wurden. In den europäischen Städten und größeren Ortschaften wurden „Bettelrichter“ mit der Betreuung der Almosenempfänger beauftragt. Auch Klöster nahmen sich der Armen und Kranken an. Die wohlhabenden Laien waren zu Spenden aufgefordert. Auf dem Lande gab es besondere Stiftungen, die an einigen wenigen Tagen des Jahres ein Mahl für arme Leute ausrichteten. Bei Beerdigungen vermögender Verstorbener verteilten die Angehörigen Salz und Brot an die Armen.
Da es aber noch keine staatliche Fürsorge gab, reichten die Hilfsmaßnahmen nicht aus. Nahm in Härtejahren die Zahl der Bettler und herumziehenden armen Leute stark zu, wurden sie zu einem gesellschaftlichen Problem. Die „ehrenhaften“ Leute machten Stimmung gegen die Bettler und Landstreicher, und die Obrigkeit ging hart gegen sie vor. Nicht selten kam es zu regelrechten Verfolgungen.
Als im 19. Jahrhundert die Armenfürsorge den Gemeinden aufgebürdet wurde, waren manche Kommunen überfordert. Man behalf sich damit, die Bettler und Landstreicher streng zu kontrollieren, und verschickte alle, die ohne Heimatrecht waren. In St. Ulrich in Gröden gab es bescheidene Stiftungen, einen Armenfonds und ab den 1820er-Jahren ein Spital und Pfründner Haus; in St. Christina richtete ab dem Jahre 1633 die Dossesstiftung ein Mahl für arme Leute aus; die Gemeinden St. Christina und Wolkenstein kauften in den 1840er-Jahren die Fischburg, um dort ein Heim für arme Leute einzurichten.
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